Kulturunterschiede

Brasilien 🇧🇷 / Österreich 🇦🇹; Ein bisschen Kakao ausschütten für eine Österreicherin, eine Mure für einen Brasilianer. Wie viel Unterschied verträgt eine Beziehung?

Die Antwort darauf, muss wohl jedes Paar für sich selbst finden. Eines ist aber gewiss: Es gibt Kulturunterschiede zwischen Paaren mit unterschiedlichen Herkunftsländern, zwischen manchen mehr und manchen weniger, ob man sie wahrhaben will oder nicht. Dass das oben genannte Beispiel mit dem Kakao kein Kulturunterschied per se ist, sei dahingestellt. Es soll vielmehr als Metapher dafür stehen, dass es Unterschiede gibt.

Ein Weg für mich, diese besser zu verstehen, ist Bildung. Deshalb mache ich gerade einen Onlinekurs zum Thema “Interkulturelle Kommunikation”. Dieser enthält u.a. ein Kapitel, das sich “Kulturdimensionen” nennt. Ziel der Erfassung von Kulturdimensionen ist es, universelle Werte zu finden, mithilfe derer die Unterschiede zwischen Kulturen konkret erfasst und aufgegliedert werden können. Das soll auch dazu dienen, sich der eigenen kulturellen Prägung bewusst zu werden. Natürlich gelten sie – wie so vieles – nicht absolut, sondern drücken nur Vergleiche in der Wahrnehmung und der Beschreibung von Realität zwischen unterschiedlichen Kulturen aus.

Der niederländische Kulturwissenschaftler, Geert Hofstede, erkannte in seinen Untersuchungen zur Unterschiedlichkeit kultureller Wahrnehmungen fünf Dimensionen von Wahrnehmungsunterschieden:

  • Machtdistanz,
  • Unsicherheitsvermeidung,
  • Individualismus/Kollektivismus,
  • Maskulinität/Femininität und
  • etwas später die Langfrist- und Kurzfristorientierung (vgl. Hofstede 1983, S. 46–74)

Die fünf Dimensionen im Detail

Machtdistanz

Machtdistanz beschreibt die Art und Weise, wie eine Gesellschaft mit der Ungleichheit der Machtverteilung umgeht, in welchem Ausmaß die weniger Mächtigen ungleiche Machtverteilungen akzeptieren bzw. erwarten.

Demzufolge könnte der Begriff “Machtdistanz” auch mit den Begriffen “Duldsamkeit”, “respektive Akzeptieren des Regiertwerdens“ umschrieben werden (vgl. Müller/Gelbrich 2004, S. 128ff.).

Geringe MachtdistanzGroße Machtdistanz
Menschen versuchen, Machtunterschiede zu minimieren. Jeder bestehende Machtunterschied ist zu rechtfertigenMenschen akzeptieren hierarchische Ordnung in der Gesellschaft, in der jeder seinen ‘richtigen’ Platz hat
Hierarchien existieren nur aus ZweckmäßigkeitHierarchien spiegeln aktuelle Ungleichheiten wider
Alle sollten gleiche Rechte habenDer/die MachtinhaberIn hat ein Recht auf Privilegien

Wie wirkt sich Machtdistanz aus?

  • Niedrig:
    • Eltern behandeln ihre Kinder wie ihresgleichen. Kinder behandeln ihre Eltern wie ihresgleichen.
    • Lehrende erwarten von SchülerInnen Eigeninitiative und sind ExpertInnen, die losgelöstes Wissen vermitteln.
    • Menschen mit höherer Bildung neigen zu weniger Autorität als Menschen mit weniger Bildung.
    • Mitarbeitende erwarten in Entscheidungen mit einbezogen zu werden.
    • Der/die ideale Vorgesetzte ist ein/e einfallsreiche/r DemokratIn.
  • Hoch:
    • Eltern erziehen ihre Kinder zu Gehorsam. Kinder behandeln ihre Eltern mit Respekt.
    • Lehrende sind Gurus, die ihr eigenes Wissen vermitteln und jede Initiative geht von ihnen aus. SchülerInnen behandeln ihre Lehrende mit Respekt.
    • Sowohl jene mit mehr Bildung als auch jene mit weniger Bildung haben die gleiche Einstellung zur Autorität.
    • Große Unterschiede im Gehalt innerhalb eines Unternehmens.
    • Mitarbeitende erwarten Anweisungen zu erhalten.
    • Der/die ideale Vorgesetzte ist ein/e wohlwollende/r AutokratIn oder ein/e gütige/r Vater/Mutter.
    • Privilegien und Statussymbole für ManagerInnen werden erwartet und sind populär.

Unsicherheitsvermeidung

Die Unsicherheitsvermeidung gibt den Grad der Bedrohung an, in dem sich die Menschen einer Kultur durch ungewisse oder unbekannte Situationen bedroht fühlen.

Kulturen, die Unsicherheiten vermeiden, versuchen durch gesellschaftliche Regelungen solche Situationen zu minimieren. Die Menschen sind geschäftiger, unruhiger, emotionaler und von einer herrschenden Meinung überzeugt.

Die BewohnerInnen von Unsicherheit akzeptierenden Ländern sind ruhiger, gelassener und aufgeschlossener gegenüber anderen Meinungen (vgl. Müller/Gelbrich 2004, S. 136ff.)

Schwache Unsicherheitsvermeidung Starke Unsicherheitsvermeidung
Unsicherheit im Leben über die Zukunft wird leicht akzeptiertUnsicherheit wird als Bedrohung empfunden
Hohe RisikobereitschaftMehr mit Sicherheit und Stabilität beschäftigt
So wenig Regeln wie möglichBedürfnis für geschriebene Regeln ist groß
Urteile/Einschätzungen basieren mehr auf Zweckmäßigkeit denn auf PrinzipienBrauchen Institutionen, die Sicherheit versprechen und Konformität schützen
Geringe Toleranz gegenüber “AbweichlerInnen”, abweichenden Ideen und Verhaltensweisen

Wie wirkt sich Unsicherheitsvermeidung aus?

  • Niedrig:
    weniger Widerstand Veränderungen gegenüber, weniger schriftliche Regeln, größere Job-Mobilität
  • Hoch: 
    großer Widerstand gegenüber Veränderung, Wettbewerb ist nicht erwünscht, viele schriftliche Regeln

Individualismus und Kollektivismus

Diese Dimension beschreibt das Ausmaß, des “Ich”-Bewusstsein versus Gruppenbewusstsein.

  • Wie weit ist das Individuum Teil einer Gruppe?
  • Steht es nur für sich und seine unmittelbare Familie ein, oder ist es Teil einer Großfamilie, Unternehmen, ethnischen Gruppe? 
  • Welche Rolle spielen der Schutz der Gruppe und die Loyalität der Gruppe?

(vgl. Müller/Gelbrich 2004, S. 115ff.)

IndividualismusKollektivismus
Unsere Beziehung zu anderen ist dadurch bestimmt, dass wir zunächst ergründen, was jeder von uns will und dann verhandeln wir unterschiedliche Positionen.Unsere Beziehung ist dadurch bestimmt, dass wir zunächst von einem öffentlichen, kollektiven Gut ausgehen, das uns beiden gehört.
Die primäre Orientierung gilt dem Individuum.Die primäre Orientierung gilt den gemeinsamen Zielen.
Häufiger Gebrauch der Ich-FormHäufiger Gebrauch der Wir-Form
Entscheidungen werden auf der Stelle von Vertretern der Organisation gemacht.Entscheidungen werden auf die Organisation rückbezogen.
Kümmern sich vorrangig um sich selbst und nur die engste FamilieGruppen schützen Individuen
Ich-BewußtseinWir-Bewußtsein
Kalkulierte Zugehörigkeit zu OrganisationenEmotionale Verbindung mit Organisationen
Recht auf eigenes Leben und eigene MeinungPrivatleben wird durch Organisation beeinflusst
Individuelle EntscheidungenGruppenentscheidung

Maskulinität und Femininität

Die Unterteilung in Maskulinität – Femininität ist nicht gleichzusetzen mit der Trennung zwischen männlich und weiblich. Der Begriff beschreibt vielmehr die Rollentrennung zwischen den Geschlechtern und die unterschiedliche Zuweisung von Rollen und Werten. Männer sollen hart und materiell orientiert sein und für die Familie kämpfen. Frauen sollen sensibel, sozial, fürsorglich sein und die Familie versorgen. Die Werte und Rollen der Männer variieren mehr als Werte der Frauen. In femininen Gesellschaften haben Männer mehr „weibliche“ Werte (vgl. Müller/Gelbrich 2004, S. 145ff.).

FemininitätMaskulinität
Gleichheit der GeschlechterMänner sollen dominieren
Männer können auch “sorgende” Rollen übernehmenMänner setzen sich durch; Frauen sorgen sich/kümmern sich
Menschen und UmweltGeld und Dinge
Sympathie für den GlücklosenBewunderung/Anerkennung für den erfolgreichen Macher
Klein …, langsam, …LebensqualitätGroß …, schnell, …Leistung, Erfolg

Kurzfrist- und Langfristorientierung

Es ist die Unterscheidung in Gesellschaften, die eher geduldig – langfrist-orientiert -, und solche, die eher ungeduldig – kurzfristorientiert – sind. Typischerweise korrelieren Duldsamkeit und geringe Unsicherheitsvermeidung ebenso wie Ungeduld und hohe Sicherheitsorientierung. Geduldige Gesellschaften kommen mit Problemen und Katastrophen besser klar. Ungeduldige Gesellschaften neigen bei Problemen zum Aktivismus (vgl. Müller/Gelbrich 2004, S. 152ff.)

KurzfristorientierungLangfristorientierung
Definitive Zielorientierung in der GesellschaftGeschehen lassen von Ereignissen
Definitive Aktionsorientierung in der Gesellschaft, um Ziele zu erreichenAkzeptanz des Zufalls und der natürlichen Entwicklung
Zeit ist GeldDas Leben wird es schon richten
Kein Vertrauen in zukünftige EntwicklungGeringere materielle Orientierung
GegensteuernDenken in langen Zeiträumen

REFERENZEN:

Müller, Stefan und Katja Gelbrich (2004): "Interkulturelles Marketing", München.

Hofstede, Geert (1983): "National Culture in Four Dimensions" in: International Studies of Management and Organization, 13/1983.
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