Gegensätze beim Essen

Brasilien 🇧🇷 / Österreich 🇦🇹; Ich habe gestern Abend etwas durch den Blog von Rode, einer gebürtigen Brasilianerin, die seit 20 Jahren in Deutschland lebt und mit einem Deutschen verheiratet ist, gestöbert. Dabei musste ich sehr oft schmunzeln, denn sie hat in den letzten Jahren bereits über viele Dinge geschrieben, die ich auch auf meiner Trello-Liste habe. Viele ihrer Erfahrungen und Beobachtungen decken sich dabei mit meinen. Und das, obwohl sie von der entgegengesetzten Richtung, nämlich der weiblichen brasilianischen Perspektive berichtet. Eine Sache, über die auch Rode schreibt, und die ich mir schon lange vorgenommen habe, zu schildern, ist das Thema “Esskultur”.

Heißt es doch “Liebe geht durch den Magen.” Bei mir geht sie gelegentlich tatsächlich auch auf den Magen. Denn “BrasilianerInnen essen den ganzen Tag lang – und zwar fast pausenlos“, wie auch Rode schreibt. Dem kann ich nur beipflichten. Ich bin tatsächlich immer wieder überrascht, wie viel in so einem brasilianischen Magen Platz hat. Vor Brasilien hatte ich mein Leben lang noch nie so viel gegessen, obwohl ich keinen Hunger hatte. In Brasilien ist es gängig, zweimal am Tag warm zu essen. Morgens gibt es ein reichhaltiges Frühstück, ein warmes deftiges Mittagessen, immer wieder kleine Snacks über den Tag verteilt und abschließend nochmal ein deftiges warmes Abendessen. Um nicht unhöflich zu sein, habe ich natürlich fleißig mitgegessen, aber oft hatte ich das Gefühl, dass ich gleich explodiere. Manchmal habe ich dem Abendessen getrotzt, weil ich es einfach nicht geschafft habe, oder – um nicht unhöflich zu sein – nur ein Brot gegessen.

Die Jause gibt es nicht

In Brasilien exisiert “das Jausnen”, wie wir es in Österreich kennen, nicht. Die BrasilianerInnen essen deutlich weniger Brot. Außerdem gibt es das knusprige Schwarzbrot frisch aus dem Ofen vom Bäcker nicht. Meine Schwiegermutter hat zwar ein Nussbrot entdeckt, dass mir meine Sehnsucht nach Schwarzbrot soweit gestillt hat, aber wirklich vergleichbar mit dem österreichischen Brot ist es nicht. Gefreut habe ich mich dennoch wie ein kleines Kind. Danke, E.! 🙂

Was man auch weniger kennt, ist es, Paprika, Gurke, Karotten & Co. als Snacks zu essen. Und schon gar nicht, zum Frühstück, was ich eigentlich mache, wenn ich frühstücke. Vor Brasilien habe ich zu Hause sehr selten gefrühstückt. Auch als Kind bestand mein Frühstück lediglich aus einem Kakao, den wir oft stehend oder zum Bus laufend zu uns genommen haben. Ich frühstücke aber unglaublich gerne und reichhaltig, wenn ich im Urlaub oder mit Freunden zum Frühstück verabredet bin. Dann sitze ich schon mal lange beim Frühstückstisch und lasse mir Brot, weiche Eier, Obst, Müsli, Tee, Saft und heiße Schokolade so richtig schmecken. Ein kleines Detail am Rande: Wir sind es gewohnt, Brötchen beim Frühstück eher in zwei Hälften zu schneiden; in Brasilien isst man sie eher zusammengeklappt.

Worüber ich beim Lesen von Rode’s Blog auch schmunzeln musste, war der Satz “Viele Deutsche können also problemlos mehrere Stunden ohne eine richtige Mahlzeit aushalten.” Ich würde meinen, wie die Deutschen in diesem Fall, so auch die ÖsterreicherInnen. Zumindest schaffe ich es auch sehr lange, ohne Essen auszukommen, nicht nur, wenn wir unterwegs sind. Bin ich aber hungrig, muss es schnell gehen! 🙂

Bei meinem Freund ist das anders: Das Wichtigste nach dem Aufstehen ist das Essen. Bekommt er das nicht gleich, ist er “hangry”, d.h. er kriegt eine richtig schlechte Laune und ist kaum auszuhalten. Das war (wie offenbar auch bei Rode), anfangs auch bei uns ein Streitpunkt. Mittlerweile habe ich es verstanden. Genauso wie Rode und ihr Mann, haben wir auch einen Deal: Wenn wir unterwegs sind und mein Freund hungrig ist, machen wir eine kleine Pause, um etwas zu essen. Manchmal esse ich dann auch eine Kleinigkeit mit, auch wenn ich nicht wirklich Hunger habe, aber BrasilianerInnen beim Essen zuzuschauen, geht noch weniger als gar nicht zu essen! 🙂 Essen ist ein Genuss und der wird in Brasilien gemeinsam begangen.

Zusätzlich dazu haben wir noch eine Vereinbarung, speziell für Tage, wo ich wirklich noch nicht hungrig bin oder wir viel unterwegs sind: Mein Freund soll sofort zuschlagen, wenn sich die Gelegenheit zum Essen bietet oder ihm jemand etwas anbietet – auch wenn er damit in Kauf nimmt, dass er vielleicht alleine isst.

Etwas, dass mich nämlich immer wieder auf die Palme bringt, ist, dass man ihn mehrmals fragen muss oder ihm mehrmals etwas anbieten muss, bevor er sich traut, ja zu sagen. Wie auch Rode schreibt, ist es in vielen Kulturen verpönt, gleich etwas anzunehmen. GastgeberInnen müssen daher ein zweites oder vielleicht sogar drittes Mal fragen, bevor man sich traut, ja zu sagen. In Brasilien ist das laut Rode keine Regel, aber ich beobachte auch, dass die meisten darauf warten, bis man erneut fragt, ob sie etwas haben wollen. Wie Rode weiter schreibt, kann es dann zu einem Missverständnis kommen. Denn so wie die Deutschen, denken sich auch die ÖsterreicherInnen meiner Meinung nach “Naja, wenn er nein gesagt hat, dann hat er wirklich keinen Hunger”, während die BrasilianerInnen daneben sitzen und sich wundern, dass die GastgeberInnen doch nicht nochmal fragen, ob sie nicht noch mehr von der Suppe & Co. haben wollen. Bei uns ist das schon mehrmals passiert. Mittlerweile greife ich meistens ein und erkläre den ÖsterreicherInnen das! 🙂

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